Bolivien

Bolivien war das letzte Land das wir gemeinsam bereisen würden. Und das einzige Land in dem wir echt an unsere Grenzen stießen um die Probleme die auftauchten zu lösen.

Bolivien war schon von Anfang an ein Land, auf das wir sehr gespannt waren. Uns wurden so viele positive Sachen erzählt, sodass wir mit einer Erwartungshaltung in dieses Land kamen, die wir sonst eigentlich nie hatten.

Wir übertraten die Grenze von Peru aus und fuhren weiter am Titicacasee entlang. Unser erster Stopp war Copacabana. Ein sehr touristisches, kleines Dorf, das direkt am See lag. Von dort aus kann man auf die Isla del Sol (Sonneninsel) fahren die wunderschön sein soll. Leider war, zu dem Zeitpunkt als wir dort waren so ein hoher Wellengang dass wir dies nicht machen konnten, da die Schiffe nicht fuhren. Zudem pfiff so ein kalter Wind durch die Strassen, das wir uns entschieden gleich nach La Paz weiterzufahren.

Auf dem Weg nach La Paz, sah man schon einen deutlichen Unterschied zwischen Peru und Bolivien. Bolivien ist um einiges ärmer, sodass wir tatsächlich noch einmal einen leichten Kulturschock erlebten. Auch erlebten wir am einigen Leib, dass die Benzinversorgung an Tankstellen sehr unzuverlässig ist.

La Paz war erstmal ein Schock. Wir hatten von allen Bolivienreisenden gehört, dass la Paz eine großartige Stadt sei. Wir gingen also davon aus, eine schöne Kolonialstadt zu sehen, die durch ihre Lage (mitten in einem Gebirgskessel) einen besondere Reiz hätte. Aber als wir in die Stadt reinfuhren hatten wir nur den Eindruck von Chaos. Doch sobald wir das Auto abgestellt hatten und zu Fuß die Gegend erkundeten offenbarte sich uns dieser besondere Charme dieses augenscheinlichen Chaos. Um diese Stadt am treffendsten zu beschreiben muss ich wohl sagen, es ist ein riesengroßer Markt. Überall werden Waren angeboten, die Frauen verkaufen alles auf der Strasse von Zahnbürsten bis zu jeglicher Art von Popcorn. Diese Stadt lebt einfach. Natürlich gibt es auch andere Wohnviertel doch dieses pulsieren spürt man fast überall. Wir verbrachten einige schöne Tage dort und bereiteten uns schon mal auf das Abenteuer Salar de Uyuni (eine große Salzwüste, am südwestlichen Ende von Bolivien) vor. Wir erneuerten unsere Reifen, kauften einen Wagenheber und und und…

Dann brachen wir auf. Früher als erwartet stießen wir auf die Schotterstraße, die uns 160 Kilometer lang begleiten sollte. Wir waren frohen Mutes, denn die Straße sah gut ausgebaut aus. Wir hatten uns aber gewaltig geirrt. Die Straße hatte Rillen wie auf einem Waschbrett, sodass wir ordentlich durchgeschüttelt wurden. Wir machten etwa auf der hälfte der Strecke halt um dort die Nacht zu verbringen. Wir fanden einen schönen Platz, mitten in der Ebene und hatten einen wunderschönen Sonnenuntergang. Doch sobald die Sonne untergegangen war, wurde es empfindlich kalt, sodass wir recht bald unter unsere Daunendecke krochen. Am nächsten Morgen wachten wir auf und bemerkten, das alles, aber auch wirklich alles in diesem Auto gefroren war. Wir konnten nicht mehr hinaus sehen, da unsere Fenster alle von Eis bedeckt waren. Es war klar, das unser lieber Bus da Probleme hatte zu starten. Nach einiger Zeit startete er dann tatsächlich, aber da wartete schon das nächste Problem auf uns. Unsere Temperaturanzeige blinkte. da wir in dieser Hinsicht gebrannte Kinder sind fanden wir das in dem Moment gar nicht lustig, zumal wir mitten im nirgendwo standen. Aber so machten wir uns auf den Weg. 2 kilometer fahren, 1 stunde stehen. Als wir nach einer Weile am Ende unserer Geduld waren, ging es auf einmal wieder. alles war wieder normal auf einmal. Das war ein Glücksgefühl! So kamen wir also doch schließlich noch nach Uyuni, der Ausgangsort für die Salzwüste.

Die ersten Meter auf der Salzwüste entschädigten uns schon wieder für alles. Die Wüste die etwas größer als 10.000 km² ist, ist ein ausgetrockneter Salzsee. In der Trockenzeit, also in der Zeit als wir dort waren, ist es eine blendend weiße Fläche. In der Regenzeit ist auf diesem ganzen See ein feiner Film von Wasser in dem sich alles perfekt spiegelt. Wenn man dann dort steht fühlt man sich wohl, als würde man im Himmel stehen. Obwohl das wohl sehr reizvoll gewesen wäre, waren wir doch froh, dass es Trockenzeit war, da wir sonst nicht mit unserem eigenen Auto fahren hätten können, da das zu schädlich für die Autos ist. So konnten wir allerdings alleine fahren. Es ist ein unglaubliches Gefühl in diesem großen Weiss zu fahren und wir genossen es sehr! Das beste daran war natürlich, dass wir hinfahren konnten wo immer wir hin wollten. So fuhren wir zu einer der vielen Inseln und hatten dort einen wunderschön einsamen Tag. Abends wurden wir dann mit einem Sonnenuntergang belohnt.

Am nächsten Morgen hatten wir wieder von neuem diese unglaubliche Begeisterung und genossen unsere letzten Stunden sehr. Dennoch war ich danach wieder froh „festen“ Boden unter den Füßen zu haben, da ich unserem Auto immer noch nicht ganz traute. So machten wir uns also weiter auf den Weg nach Potosi.

Potosi ist die höchst gelegene Großstadt der Welt und war früher auch eine der bedeutendsten. 1611 durfte sie sich sogar als die größte Stadt der Welt zählen. Das alles lag an dem Berg Cerro Rico, der unglaublich viel Silbervorkommen hatten. Schon die Inkas hatten das Silber gefördert. Doch als die Spanier kamen wurde der Berg erst richtig ausgeschöpft. Inzwischen ist diese Stadt, die früher so unglaublich reich war, eine der ärmsten Gegenden Boliviens.

Wir wollten Potosi deswegen besuchen und vor allem um eine Mienentor zu machen. Doch als wir dort ankamen und ins Zentrum fahren wollten saßen uns viele Frauen gegenüber, die, die Straße mit Steinen abgesperrt hatten. Auf unsere Frage, was denn los sei meinten sie nur, dass es eine Blockade geben würde. Auf die Frage wie lange denn, meinten sie 2 Stunden oder 2 Tage… Wir beschlossen also das Auto außerhalb zu parken und zu Fuß in die Stadt zu gehen um uns dort ein Hostel zu suchen. Gesagt getan. Dort trafen wir erstmal Brice wieder, was ein freudiges Wiedersehen war. Als wir jedoch Essen gehen wollten, realisierten wir, dass nicht nur die Strassen blockiert waren, sondern auch praktisch keine Läden offen hatten.Als wir uns abends noch einmal auf die Suche nach Essen machten, begannen auf einmal alle Leute um uns herum zu rennen und die letzten Sachen, die noch auf der Strasse verkauft wurden hektisch zusammenzupacken. Bald sahen wir den Grund. Das „Revolutionskommando“ fuhr durch die ganze Stadt und überprüfte, ob auch wirklich alles geschlossen war. Was noch offen war wurde „geplündert“. Aber es geschah keine Gewalt.

So befanden wir uns also auf einmal in einer politischen Demonstration in Bolivien und konnten nichts dagegen tun. Der Grund für diese Blockade war unter anderem eine alte Feindschaft zwischen den Provinzen Potosi und Oruro. Auf der Grenze der beiden Provinzen liegt eine Miene die sehr viel Bodenschätze aufweist. Das Recht dort zu schürfen wurde vor langer Zeit Potosi zugesprochen, aber Oruro hält diese Vereinbarung nicht ein und verschiebt die Grenze immer weiter. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen gab es eben diese Blockade.

Wir verbrachten die Tage mit Film schauen, nach Essen suchen und sich immer wieder zu informieren. Allerdings wusste niemand in dieser Stadt irgendwie Bescheid, wie lange es noch gehen sollte oder was im Moment passiert. Andauernd gab es irgendwelche Gerüchte und wir jagten denen nach. Da allerdings meine Zeit knapp wurde mussten wir uns irgendwann ernsthaft damit beschäftigen, wie wir dort herauskommen könnten. Wir mussten einsehen, dass wir es ohne Auto versuchen mussten, da die Menschen an den Blockaden, die Autos die es versuchen wollten massiv beschädigten. So kam es also dass wir zum Auto gingen und ich meine Sachen dort herausholen musste. Das war ein wirklich schwerer Schritt, da ich irgendwie noch nicht bereit war unserem Baby tschüss zu sagen. Zudem nahm es einige Zeit in Anspruch, da wir ja die ganzen 17 monate dort gewohnt hatten und sich so meine Sachen dort häuften und ich erst einmal aussortieren musste. Irgendwann aber war das auch geschafft und wir bereiteten uns schon mal Mental darauf vor, am nächsten Tag die 12 Kilometer zur Blockade zu laufen. Wir liefen also los, doch nach den ersten 5 Kilometern sprach uns ein Mann an, der neben der Strasse saß, als er hörte dass wir nach Sucre wollten, schüttelte er nur den Kopf. Gestern sei das gegangen, aber seit heute seien die Blockaden bis zu 45 Kilometer ausserhalb von Potosi. Wir sahen ein, dass wir das nicht laufen konnten vor allem mit den Rucksäcken und auf 4000m und drehten um. Da es nun langsam wirklich knapp wurde mit meinem Flug der in 4 tagen flog wurden wir ernsthaft nervös. Schließlich stießen wir auf ein Reisebüro, dass Privatflüge organisierte. Man sah dieses Reisebüro schon von weitem, da sich rundherum immer Touristen scharten. Wir entschlossen uns also ein 4 Personenflugzeug zu chartern und setzten unsere Namen auf die Liste. Am nächsten Tag wurden wir um 5:30 abgeholt um unsere heimliche Wanderung durch die Stadt zum Flughafen zu machen. Heimlich deswegen, da die Organisatoren befürchteten, dass sobald die Demonstranten die Touristen fliegen sehen, den Flughafen dichtmachen würden. Diese Befürchtung stellte sich schon bald als realistisch heraus. Als wir nach 3 Stunden laufen am Flughafen ankamen, wollte der Verwalter uns das Tor nicht aufmachen, aus Angst vor den Demonstranten. Doch nach langem überreden durften wir dann doch herein. Dort wieder Ungewissheit. Doch schließlich hieß es dass die ersten 2 Flugzeuge starten würden. Wir waren auf Platz Nummer 2. Gottseidank. Den restlichen 19 Touristen, die auch schon für die Flugzeuge gezahlt hatten wurde für eine Aufpreis einen Flug nach La Paz versprochen. Wie wir später aber hörten, mussten diese 19 Menschen am Flughafen schlafen, da die Demonstranten nicht erlaubten, dass dieses Flugzeug startete. Am naechsten Tag durften sie aber dann auch fliegen. Der Flug war ein Wahnsinnserlebnis. Die Maschine wackelte vor sich hin, aber nachdem sich die erste Nervosität gelegt hatte, konnte ich die Aussicht genießen. Leider ging der Flug viel zu kurz, denn nach 20 Minuten erreichten wir schon Sucre.

Beim Aussteigen bekamen wir abermals einen Kulturschock. Es war warm, die Sonne schien und überall Geschäftigkeit. Alle Läden waren offen, keine gedämpften Gespräche über die Blockade mehr. Kurz das Leben ging hier ganz normal weiter. In Potosi hatten mir immer wieder Frauen gesagt, dass ihre Kinder so Hunger hätten, sie aber ja nichts zum essen kaufen könnten und auch nichts verdienen würden durch die Blockaden. Und in Sucre war auf einmal wieder heile Welt.

Wir stürzten uns dort natürlich voll rein, gingen lecker essen und schön Bier trinken, schlenderten über Märkte und genossen die Sonne. Wir beschlossen 2 meiner letzten 3 Tage dort zu verbringen und genossen sie in vollen Zügen. Von dort aus wollten wir dann mit einem Nachtbus direkt nach Santa Cruz fahren.

Als wir zum Busbahnhof kamen hieß es nur, dass alle Busse schon voll wären. Ein weiterer Panikmoment, da wir ja unbedingt diesen Bus nehmen mussten. Nach langen hin und her lies uns der Busfahrer doch mitfahren. Nur bekamen wir keinen Sitz sondern eine Holzbank mit sehr wenig Beinfreiheit ganz hinten im Bus. Wir waren einfach nur dankbar, dass wir überhaupt wegkommen würden. Doch das änderte sich im Laufe der Fahrt. Wir fuhren 15 Stunden und ungefähr 10 davon auf einer Schotterstraße. Wir spürten jeden Kiesel, da wir immer empfindlich mit der Holzbank zusammenstießen. Wir waren also die ganze Zeit nur am hoffen dass diese Fahrt vorbeiging. Das ging sie dann auch und wir kamen in Santa Cruz an. Was für ein anderer Anblick. Wir waren ja seit Kolumbien in den Anden unterwegs gewesen und hatten schon wieder vergessen wie Palmen aussehen. Auch war die Landschaft seit Peru eigentlich immer sehr karg und trocken gewesen. Da Santa Cruz aber schon am aeussersten Rand des Amazonasbeckens liegt, ist dort das Klima sehr anders. Ich kam mir vor als wäre ich wieder in Zentralamerika und konnte diese Verbindung in meinem Kopf nicht machen, das dies auch Bolivien ist. Aber ich verbrachte ja auch nur eine Nacht dort.

Ja und dann war der Moment gekommen

Wir fuhren zum Flughafen und der Moment des Abschieds war da. Ich war so vom Abschied von Matthias in Anspruch genommen, dass ich gar nicht realisierte, dass ich auch diesen wunderbaren Kontinent verlasse. Ich war dort und ich bin es immer noch nicht bereit das zu begreifen oder zu fassen, was ich in dieser Zeit alles wunderbare oder auch schreckliche Erlebt habe. Jetzt nach etwa 2 Wochen Deutschland kommt langsam das begreifen, dass ich in Lateinamerika irgendwie auch ein Stück Heimat gefunden habe.

2 Antworten to “Bolivien”

  1. Michael Fischer Says:

    Soviel ich Dich ja beneide, aber ich bin schon sehr froh das Du wieder in Deutschland bist. Gleichzeitig sind unsere gedanken auch Bei Matthias, und wir warten schon auf seinen neuen Beitrag.

    Michael & Patricia

  2. simplybrice Says:

    How come you’re not paying any royalties for mentioning my name?

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