Bolivien von nun an alleine.

Nachdem ich schlussendlich Abschied von Hannah genommen hatte und alleine zurueck vom Flughafen kam, hatte ich mich schnell entschieden als naechstes ins Amazonasbecken Boliviens zu gehen. Und sofort bekam ich auch eine Zusage von Brice mit mir dorthin zu gehen. So musste ich also zwei Tage auf ihn in Santa Cruz warten. Ich hatte das Glueck am ersten Abend vier Hollaender auf Kurzurlaub zu treffen und von denen zu einer langen betrunkenen Nacht in teuren Clubs eingeladen zu werden. Das war eine willkommene Ablenkung und so konnte ich auch den naechsten Tag mit schlafen und auskatern verbringen, in der Stadt in der es fuer mich sonst nicht viel zu tun gab. Mit Brice wollte ich in einen Nationalpark an der Grenze zu Brasilien; doch wie wir in einer Touristeninformation mitgeteilt bekamen, fuhr der einzige Bus pro Woche in einer halben Stunde. Man konnte uns jedoch nicht genau erklaeren wo in dieser Millionenstadt der Bus abfahren wuerde. Daher verpassten wir ihn und fuhren stattdessen erstmal nach Samaipata, denn organiesierte Touren haetten ca. 200 USD pro Tag gekostet.

Samaipata ist ein sehr huebsches kleines Dorf, umgeben von wunderschoenen gruenen! Berglandschaften. Wegen der Trockenzeit jedoch nicht ganz so saftig; und weil waehrend dieser Zeit im gesamten Amazonasgebiet Feuer gelegt werden, um fuer die kommende Saison einen besser bewirtschaftbaren Boden zu schaffen (was kurzfristig wohl recht gut funktioniert, aber langfristig den Boden auslaugt), war die Sicht leider immer ziehmlich truebe (bis auf den Tag auf dem Photo:-), und schon am Nachmittag hatten wir eine rote Sonne. Wegen einer stattfindenden Rally, hoerte man ueber drei Tage immer wieder von irgendwo her weit hallende Motorengeraeusche. Ansonsten hatten wir sehr schoene und gemuetliche Tage, die wir mit Wanderungen verbrachten, auf denen wir uns meistens verliefen und so auf unglaublich steilen Kuhweiden landeten. Auch wanderten wir zu einem Aussichtspunkt, wo ich zum ersten Mal andine Kondore sehen durfte! Leider waren es nicht so viele wie erwartet, aber es war trotzdem unglaublich beeindruckend wie gross die sind und wie meisterhaft sie dahingleiten ohne die Fluegel zu schlagen. Und dann war da noch ein Zoo, bzw. eine Auffang- und Pflegestation fuer Tiere. Das war vielleicht der beste Zoo in dem ich jemals war. Wenn man ankommt, wird man erstmal von einem Affen an die Hand genommen, dieser fuehrt einen dann zu irgendeinem Baum und dann klettert er wie wild an Dir und dem Baum herum. Es gibt dort die verschiedensten Arten von Affen, manche beissen aber gerne und duerfen nicht frei herumlaufen, haben aber schoene Gehege. Und es gibt Macaws, die wunderschoenen, riesigen Papageien und andere Arten von Papgeien und Wildschweine, Lamas, eine schlaefrige Wildkatze, Tucane und natuerlich Hunde, Katzen, Pferde und und und.

Nach laengerem hin und her, beschlossen Brice und ich nicht zu dem schon erwaehnten Nationalpark zu fahren. Denn der Bus fuhr am Donnerstag hin und am Sonntag der darauffolgenden Woche wieder zurueck. Das waere zwar nicht zu lang gewesen, aber der Transport, das Essen, die Unterkunft und ein Fuehrer waeren uns sehr teuer zu stehen gekommen. Daher entschieden wir uns mit drei anderen (Israeli, Franzoesin, Kanadier) und einen sehr kompetenten und netten Touristenfuerer aus Samaipata ins Reserva Silvestre de Rios Blanco y Negro zu fahren. Das liegt auch schon im Amazonasbecken, hat allerdings keine spektakulaeren Wasserfaelle und Tafelberge. Im Nachhinein war es nicht die tropische Regenwalderfahrung wie ich es mir erhofft hatte, denn es war ja gerade die zweimonatige Trockenzeit! Und ich dachte immer im Amazonas regnet es jeden Tag um 5 vor 6 ;-)?! Wenigstens hatte die Trockenzeit den entscheidenden Vorteil, dass nicht so viele Muecken unterwegs waren, auch wenn es noch genug Stechfliegen und vorallem Zecken gab. Jedenfalls hatte ich dennoch eine tolle Zeit! Das eindruecklichste waren wohl die uebermaessig vielen Papageien und das Lager und die einfache Lebensweise der „Campesinos“ mit denen wir dort lebten. Dort leben drei bis vier Maenner. Der eine pflegt ein bisschen das Lager und die anderen sind den ganzen Tag im Wald und jagen ein Wildschwein, wenn sie nicht wie gewohnt holzen gehen. Wenn es kein Wild gibt, dann gibt es Fisch aus dem Fluss, jeden Tag begleitet von Reis und/oder Yuca (Maniok) und alles am liebsten fritiert. Mal bin ich mit der Machete durchs Unterholz, mal mit dem Boot den Fluss entlang, mal die unglaublichsten Baeume hochgeklettert, mal Papageien, Affen oder Kaimane beobachtet, mal mich gewundert wer denn die halbe Flasche Rum von gesten Abend leer getrunken hat, mal Piranhas geangelnt, die dann doch noch im letzten Augenblick entwischten, mal ins truebe Wasser gesprungen, ohne genau wissen zu wollen was da noch so alles mit einem schwimmt, und zuletzt einen ganzen Tag gewartet bis sich schliesslich jemand dazu bereit erklaerte, aus San Pablo, dem naechstgelegenen Dorf, die schlechte Strasse seinem Auto zuzumuten um uns wieder abzuholen!

Von San Pablo sind Brice und ich in einem knapp 30 Stunden Busmarathon zurueck nach Potosi. Die Stadt war wie veraendert. Ueberall gab es geoeffnete Laeden und Strassenstaende und fahrende Autos und Busse. So konnten wir dann auch schliesslich die Minen des Cerro Rico besichtigen! In einer kleinen Gruppe sind wir also zunaechst in einen Laden gegangen um Dynamit, Cocablaetter, 96%igen Alkohol (derbes Zeug) und etwas besser trinkbares einzukaufen, als Geschenk fuer die Grubenkumpel. Dann konnten wir erst noch einen recht primitiv und provisorisch aussehenden Maschinenraum zur Filterung der Mineralien besichtigen, wo man am Ende des Verarbeitungsprozesses der Rohmaterialien zB. einen 80% reinen Silber-Zinn-Mix erhaelt. Die Technik habe ich zwar nicht so recht verstanden in der kurzen Zeit, aber es war sehr eindrueklich das zu sehen. Von diesen Anlagen gibt es ettliche um den Cerro Rico. Diejenige die ich gesehen habe war in bolivianischem Besitz, daher war die Technik wahrscheinlich auch so alt. ca. 80% dieser Anlagen gehoeren aber japanischem, europaeischem oder nordamerikanischem Kapital. Die Kumpel arbeiten selbstorganisiert entweder alleine oder in Gruppen und bringen das von ihnen herausbefoerderte Rohmaterial zu einer „unabhaengigen Stelle, die den Wert der darin enthaltenen Mineralien bestimmt und dann koennen die Kumpel es fuer diesen Preis an die oben genannten Verarbeitungsstellen verkaufen. Ein Kumpel, der alleine arbeitet, den wir in einem der Schaechte getroffen haben, erzaehlte uns, dass er bei einer ca. 60 Stunden Woche ungefaehr 70 – 80 € im Monat verdient! (Ich reise durch Bolivien mit einem Budget von etwa 400 – 500 € pro Monat pro Person!) Daher kommt es wohl nicht selten vor, dass auch die Soehne (arbeitende Frauen sind in den Minien verboten) von ab 10 – 12 Jahren, neben der Schule, wenn sie denn zur Schule gehen, mitarbeiten, um mitzuverdienen. Die duchschnittliche Lebenserwartung in Bolivien liegt ueber 60, aber bei den Minenarbeiter, nicht nur in diesen Minen, liegt sie etwa knapp unter 40, hauptsaechlich wegen Lungenerkrankungen. Und man bedenke, dass in den letzten ca. 15 Jahren sich die Arbeitsbedingungen wesentlich gebessert haben (teilweise elektrische Geraete, Luftschaechte usw.) und dass in dem Berg schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts gegraben wird! Seit dieser Zeit ist der Berg wohl schon um 300m geschrunpft und im oberen Teil wird nicht mehr gearbeitet, wegen Einsturzgefahr. In dem Beg arbeiten zur Zeit ca. 10.000 Maenner, wobei das wohl nicht viele sind, denn wenn die Rohstoffpreise besser stehen, kann sich die Zahl auch fast verdoppeln.

Wir liefen also mit Helm, Kopflampe und Tuch vor dem Mund in den wagerecht laufenden Stollen einer Mine mit sieben Etagen. Es verliefen Schienen in dem teilweise sehr niedrigen Gang von ca. 1,5m. Die Temperatur wurde immer angenehmer. Hin und wieder mussten wir einem entgegenkommenden Trolley schnell Platz machen was nicht immer einfach ist, denn der Gang ist auch nicht besonders breit. Im Hauptgang, der zum Ausgang geht, ist der Trolley noch elektrisch betrieben. In einem der vielen Nebenschaechte war der „Tio“ (Onkel) „soundso“ (den Namen habe ich leider vergessen, jede Mine hat einen anderen mit anderem Namen). Das ist der Gott der Minen und jeden Freitag treffen sich alle Kumpels der Mine bei ihm und geben ihm Opfergaben. Das sind vor allem Cocablaetter, den hochprozentigen Alkohol und staerke Zigaretten, alles was sie selbst auch an diesen Tagen in rauhen Mengen konsumieren.  Nachdem wir ein Stueck gelaufen waren, gingen wir eine Etage weiter runter. Fuer den Abstieg musste man schon krabbeln und fast kriechen, hin und wieder rutsche man einfach nur auf dem Hintern. Unten angekommen, sahen wir, dass der Trolley, wenn voll ca. zwei Tonnen schwer, von vier Mann geschoben/gezogen wird. Alle paar Meter gab es einen Seitenschacht der jeweils einem oder einer Gruppe gehoert. Das wird von allen respektiert, auch wenn es da gerade viel zu holen gibt. Aber die meisten die ich gesehen habe waren entweder stillgelegt oder von jemandem mit Bretter abgeschlossen. Wieder ein Level weiter unten wurde es schon recht warm und dort trafen wir einen Arbeiter, der gerade Pause machte, sprich Cocablaetter kaute. Ich habe zwar auch ein paar mal Cocablaetter gekaut, doch war ich vorher nie erschoepft, habe daher eigentlich auch keine Wirkung gemerkt. Doch scheinbar kann man daraus erstaunlich viel Energie holen, bzw. seinem Koerper erstaunlich gut vortaeuschen noch Energie zu haben, denn anscheinend essen die in den Minen nicht wirklich, denn alles wuerde verstauben. Wobei ich denke das es schon moeglich waere. Dieser Mann jedenfalls beantwortete unsere Fragen nur knapp, er erzaehlte uns von seinem Gehalt und dass er schon seit 24 Jahren in dem Berg arbeite. Dort wo er gerade arbeitete seinen es wohl fast 50 Grad, dementsprechend muss das noch ein ganzes Stueck weiter unten gewesen sein. Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie man dort alleine arbeiten kann. Die ganze Situation  ist so hart zu sehen. Viele Menschen dort wollen wohl auch, dass der Berg geschlossen wird, weil er nicht mehr ganz so reich ist und weil die Bedingungen zu schlecht sind. Aber keiner weiss, was dann aus Potosi werden soll. In diesem Schacht, wird der Schutt zu dessen einem Ende per manuellem Trolley gebracht, wo zwei Kumpel das Gestein unermuedlich in groesse Behaelter schauflen, die dann per elektrischer Kurbel zum Hauptschach richtung Ausgang gezogen werden. Alle arbeiten dort unten in einer unglaulichen Geschwindigkleit. Auf unserem Weg wieder hoch merkte man sehr eindeutig, dass man sich ja auf ein bisschen ueber 4000m befindet. Das und die staubige Luft machten mir wirklich zu schaffen. Nach insgesamt vieleicht zwei Stunden waren wir wieder draussen, und ich war auch ganz froh darum, denn der Aufstieg war anstrengend und es fehlte einem doch ein bisschen an Platz. Wir hatten alle unsere Mitbringsel abgegeben, ausser einer Stange Dynamit. Diese liessen wir am Berghang explodieren. Das kannte ich zwar schon aus der Zeit der Blockade, doch ist es immer wieder krass, wie stark doch so ein kleines Ding sein kann. Und ich bin heilfroh das nicht in einem Schacht miterlebt zu haben, wie ich zuerst annahm. Vorallem, weil je nach Explosion, sich der Staub erst nach Stunden legt. Alles in allem eine sehr lohnenswerte Erfahrung, aber man kommt sich auch unglaublich scheisse vor, dort unten mit einer dicken Kamera herumzulaufen und danach in sein gemuetliches Hostel zurueck zu gehen.

Nun waren schon ca. zweieinhalb Wochen verganagen seit Hanah weg war und ich war selbst erstaunt wie gut ich diese Zeit ueberstanden hatte. Doch nun kam der Zeitpunkt, an dem ich endlich wieder meinen Bus abholen konnte/musste und dann wirklich alleine sein wuerde. Ich hoffte sehr, dass der Bus gut anspringen wuerde nach so langer Zeit herumstehen in der Hoehenluft und Kaelte. Und ich hatte Glueck. Nachdem ich Brice und Potosi Tschuess bzw. Aufwiedersehen gesagt hatte, fuhr ich bis nach Oruro durch, wo ich an einer Tankstelle die Nacht verbrachte, wo ich auch mit Hannah schon gestanden hatte. Jedenfalls hat es mich an diesem Tag und die darauf folgenden hart getroffen mit der Einsamkeit, dem Vermissen und dem Heimweh. Obwohl ich am zweiten Tag im Nationalpark Sajama war, dem hoehsten Gipfel Boliviens und einem insgesamt sehr schoenen Tal zwischen drei Vulkanen, war ich doch nur niedergeschlagen und konnte das alles nicht so richtig geniessen. Ich fuhr danach auch direkt nach Chile, mit der Ungewissheit, ob das an der Grenze alles klappen wuerde! …

3 Antworten to “Bolivien von nun an alleine.”

  1. Michael Fischer Says:

    Super, Patricia glaubt das das alles Dir sehr unter die Haut gehen werde, mehr als uns, wir lesen nur davon, Du hast das alles erlebt..
    Ich bin sehr dankbar fuer Deine technischen einzElhaeiten, sehr interessant.
    Michael & Patricia

  2. simplybrice Says:

    Whaouuuuu Matthias!!!!
    That’s quite an article! And even though I didn’t understand anything, I can definately see that there’s a lot in there! Good job man! Keep it going!

  3. Katharina Says:

    Lieber Matthias, ich wuensche Dir das Allerbeste fuer deine weitere Reise!!! Pass gut auf Dich auf! Geniess es und tu was Dir gut tut! Ich hab es sehr genossen, nach der langen Zeit Hannah gut erhalten wieder zu sehen. Danke fuer alles!!!
    Katharina

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