Im kahlen Norden von Chile

Die Grenze war so streng wie noch keine zuvor. Mein Bus wurde mit einem Hund durchsucht, und auch die Zoellner haben genau hingeschaut. Diese unerwartete Strenge machte mir zunaechst erhebliche Sorgen, denn ich hatte nur eine Kopie des Fahrzeugscheins dabei und keine unterschriebene Kopie von Hannahs Reisepass, die ich ofiziell haben musste. Doch als es dann um die Einfuhrpapiere des Buses ging, sollte ich einfach nur die Fahrzeugdaten in ein Formular fuellen, welches dann, ganz ohne Nachweis von irgendwelchen Besitzurkunden abgestempelt und mir ausgehaendigt wurde! Da habe ich, glaube ich, wirklich Glueck gehabt. Denn waere es zu Problemen gekommen, waere ich wahrscheinlich zwischen zwischen den Grenzen festgesteckt gewesen, denn ich und der Bus waren ja schon aus Bolivien ausgestempelt, und die haetten mich womoeglich auch nicht mehr hineingelassen. Und das bei einem Grenzuebergang, der mitten im Nirgendwo ueber 4000m unter malerischen Vulkanen liegt. Wenigstens haette ich mich in diesem Fall mit all den Stunden und Naechte wartenden LKW-Fahrern anfreunden koennen.

So rollte ich also schon bald all die Hoehenmeter hinunter, worbei an einem Polizeiposten, wo sich lediglich en Lama fuer mich interessierte und an immer vegetationsloseren Wuestenlandschaften von unheimlichen Dimensionen bis nach Arica, zurueck zum Pazifik. Das faszinierenste fuer mich an dieser Stadt waren die riesigen Supermaerkte, die Baumaerkte und die ganze Stadtplanung wieder auf das Auto ausgelegt zu sehen. Im Gegensatz zu Bolivien waren sehr viele Privatautos uauf den Strassen. Sprich Autos, die der persoenlichen Mobilitaet dienen und nicht einem beruflichen Zweck wie Taxis, Transporter oder Colectivos.

Nach ausfuehlichem Aufraete auffuellen fuhr ich mal wieder auf der Panamericana nach Sueden. Noch war mir nicht bewusst wie lange ich noch in dieser Wueste sein sollte. Gleich an der Kueste erhebt sich das Land recht schnell auf ueber 1000m und erstreckt sich dann in einer Ebene. Sodass der fast durchgehend (zumindest waehrend meiner Aufenthaltszeit im Norden Chiles) ueber der Kueste haengende Nebel nicht bis zu dieser Ebene kommt, die sich mehr oder weniger bis an den Fuss der Anden zieht. Auf eben dieser Ebene verlaeuft die Panamericana und nur hin und wieder gibt es tiefe Einschnitte, dessen Talsohle wohltuend ein bisschen gruen ist. Ansonsten geht diese totale Einoede soweit das Auge reicht. Hin und wieder ueberholte ich Fahrradreisende und fragte mich, ob die wohl auch nicht so recht wussten wo sie langfahren wuerden, denn eher selten konnte ich die Umgebung als schoen bezeichnen. In der Regel empfand ich sie als Trostlos und aufs Gemuet drueckend.

Nicht richtig ueberzeugt von meiner Entscheidung bog ich nach Iquique ab. Denn viel gutes hatte ich von dieser Stadt nicht gehoert oder gelesen. Aber als ich dann den letzten Berg hinunterfuhr, hat die Sicht auf die Lage der Stadt vorerst alles wieder gut gemacht. Mit einer groessen Duene die halb in die Stadt ragt und eingekesselt von Bergen liegt Iquique von ober gesehen wirklich spektakulaer! Im Zentrum gibt es zwei, drei sehr huebsche Strassen, ansonsten hatte es fuer mich nicht viel zu bieten. Vorallem weil sich auch hier der Nebel wie eine kalte Ungemuetlichkeit sonnenraubend ueber die Stadt legt. Nachdem ich nach langem Suchen keinen guten Schlafplatz gefunden hatte, habe ich schliesslich in einem dreckigen Hinterhofparkplatz uebernachtet. Dementsprechend deprimiert fuehlte ich mich dort auch. Wenigstens konnte ich mich dazu ueberwinden das erste Mal alleine im Bus zu kochen:-) Als ich am naechsten Tag, nachdem ich mal wieder den Auspuff habe schweissen lassen muessen, auf dem Weg zur wohl beruehmten Dutyfree-Zone war, blinkte das Kuehlerlaempchen auf. Scheisse, das war wirklich das Letzte was ich gebrauchen konnte! Ich konnte zwar am Temperaturlimit sehr lange umherirrend fahren; aber um die Stadt zu verlassen musste ich ersteinmal ganz schoen lange den Berg hoch fahren. Ich musste mich also mit dem Problem beschaeftigen. Die Kueste wollte ich nicht entlangfahren, weil ich aus diesem Nebel hinauswollte. Waehrend ich also den ganzen Tag damit verbrachte bei Mechanikern herumzustehen und zu warten und ihnen mein Problem darzustellen, war ich mal wieder erstaunt, wie verdammt wenig Ahnung manche von ihrem Job haben. Ich wollte den Bus am liebsten auf der Stelle loswerden und nichts mehr damit zu tun haben. An der Grenze hatte man mir gesagt, dass die einzige Moeglichkeit den Bus in Chile loszuwerden in eben dieser zollfreien Zone sei. Dort bin ich also hin, doch niemand war daran interessiert! Das gab ich also auf, denn das Spanisch des  Zoellners vor Ort konnte ich ueberhaupt nicht verstehen. Es hoerte sich wie eine neue Fremdsprache fuer mich an. Und er hatte auch scheinbar keine Lust fuer mich etwas deutlicher zu sprechen. Nachdem mir letzendlich auch kein Mechaniker helfen konnte und es schon dunkel geworden war, bin ich nochmal ein bisschen umhergefahren, und siehe da: die Temperatur sank!!! Warum auch immer. Es ist mir bis heute noch ein Raetsel was da los war, vielleicht hat nur die Anzeige rumgesponnen, oder das Schweissen hatte den Moter exrem erhitzt?! Ich bin also gleich darauf den Berg hoch und habe erstmal einige Kilometer zwischen mich und diese Stadt gebtracht, die ich damit zwar bestimmt verkenne, doch fuer mich war sie zum Inbegriff von Trostlosigkeit geworden, denn Trost konnte ich dort keinen mehr finden.

Mein naechstes Ziel war San Pedro de Atacama, wo ich, we es der Zeitplan so wollte ein letztes Mal Brice treffen wuerde. Auf dem Weg dorthin, konnte man auch bei naeherem Hinschauen wirklich nicht einmal einen doerren Halm sehen. Insofern aenderte sich unterwegs landschaftlich nicht vieles. Die naechsten paar Tage im sehr touristischen San Pedro de Atacama und Umgebung munterten mich wieder sehr auf, mit inzwischen schon altbekannter Gesellschaft und wirklich unglaublich wunderschoenen Landschaften. In Valle de la Muerte und Valle de la Luna gibt es Felsformationen, die sehen aus als floege man ueber riesige Gebirgszuege, haette man keinen Anhaltspunkt fuer die wirkliche Dimension. Und der Vilkan Licancabur ragt immer praechtig im Hintergrund auf. Z.B. die Quebrada del Diabolo ist ein Labyinth aus steilwaendigen in Lehm gefressene, trockene Bachbetten. Auf dem Weg zu den, ich finde maessig beeindruckenden Gysiren von El Tatio, kommt man an sehr imposanten und kahlen Berglandschaften vorbei. Immer wieder grasen dort Vicuñas (sozusagen verwandte der Lamas) nicht vorhandenes Gras, wenn sie sich nicht bei einer malerischen Lagune aufhalten. Und dann gibt es dort noch den Salar de Atacama, dieser ausgetrocknete Salzsee ist nicht so beeindruckend wie der bei Uyuni, denn hier ist das Salz nur stellenweise rein genug um weiss zu sein. Dafuer konnte ich aber bei der Laguna de Chaxa, die im Salar liegt, das erste Mal die, in der weiteren Umgebung eigentlich oefters anzutreffenden Flamingos sehen. Sehr majestaetische Tiere.

Auf meinem weiteren Weg, nun wieder alleine, fuhr ich mitten durch die Atacamawueste. Ofiziell ist das die trockenste Gegend der Erde, wo es bis zu mehreren Jahren am Stueck, solange la Niña herrscht, sprich der Humboldstrom wie gewoehnlich fliesst, nicht regnet! Irgendwo dort habe ich auch den suedlichen Wendekreis ueberquert! Ich war sehr froh ueber den guten Zustand der nicht-asphaltierten Strasse, die sich ueber mehrere hundert Kilometer durchs Nichts zieht bis sie wieder auf die Panamericana stoesst. Nichts als LKWs und Firmen-Pick-Ups sind die Verkehrteilnehmer, denn hier haeufen sich die (vorallem Kupfer-) Minen. Ab und zu sah ich uebertrieben riesige Lastentraeger, von denen alleine schon ein Reifen wesentlich groesser ist als mein Bus! Wieder auf der Panamericana gab es riesige Industrieanlagen, die teilweise so aussehen, wie ich mir sowjetische Schwerindustrie vorstelle.

Zurueck an der Kueste wurde ich mal wieder vom Wetter enttaeuscht. Kleineren Kuestenorten wie Paposo, Taltal, Chañaral oder Caldera markt man anhand der dort herrschenden Athmosphaere irgendwie an, dass ausser der Fischerei, der Seetangindustrie und der Minenarbeit dort nicht viel passiert. In Caldera fragte ich ein paar Fischer ob ich mal mit ihnen rasufahren koennte um deren Arbeitsalltag mitzuerleben. Doch seien im Augenblick keine Fische da und niemand fahre raus, so die Antwort. So schaute ich also den Fischern ein bisschen dabei zu, wie sie einfach nur so im Hafen herumhingen, ihre Boote neu strichen oder die Netze richteten, oder ich beobachtete wie eine Seerobbe zwei Tauchern im Hafenbecken neugierig zuschaute. Ganz in der Naehe von Caldera habe ich sogar einen huebschen Strand zum uebernachten gefunden, doch das Wetter daempfte mal wieder die Stimmung.

In dieser Gegend und um Copiapo, etwas weiter im Landesinneren, faengt endlich wieder etwas zu wachsen an. Die Kakteen vermehren sich und es gibt sogar Olivenbaumplantagen und Weinreben. Weiter im Sueden, etwa bei La Serena, ca. 1500 km von der noerdlichen Grenze Chiles, konnte ich dann endlich wirklich behaupten der Wueste entflohen zu sein. Auch wenn Baeume noch eher eine Seltenheit waren. La Serena ist eine ueberaus ordentliche und aufgeraeumte Stadt mit einer riesigen Shoppingmall. Immer wieder fuehlte ich mich an die USA erinnert, nur dass ueberall die chilenische Flagge zu sehen ist. Es gibt hier diese Neubausiedlungen, wo jedes Haus gleich aussieht und von jedem Balkon die Flagge im gleichen Winkel haengt. Erst jetzt hoerte ich, dass am 18. September 200-jaehriges Jubilaeum von Chile gefeiert werden wuerde. Ein riesen Ereignis wie sich mir spaeter darstellte. Nur weiss ich immernoch nicht, ob all die Flaggen, die man auch an Autos sieht, nur zu diesem Anlass wehen?! Denn sie sind noch immer ueberall zu sehen.

Wie auch schon weiter im Norden, gibt es auch hier viele internationale Sternwarten, von denen die meisten aber leider nicht fuer die Oeffentlichkeit zugaenglich sind. Doch bei Vicuña, in der Naehe von La Serena, kann man das Observatorio Mamalluca besichtigen. Dort bin ich also hin. Enttaeuschenderweise ist dieses Observatorium allein fuer Touristen erbaut und dessen Teleskop gehoert nicht gerade zu den Groessten. Trotzdem konnte ich ein gutes Photo vom Mond machen, vier Monde des Saturns sehen und lernen wie ich vom „Kreuz des Suedens“ den Sueden finden kann!

In Valle El Encanto, einem Tal mit Petroglyphen, von denen ich allerdings nicht viel geshen habe, habe ich mal wieder so richtig ein Camping-im-Gruenen-feeeling gehabt. Im Parque National Fray Jorge, ein spaerlicher Nebelwald direkt an der sonst noch recht kargen Kueste, war wohl das beeindruckenste die Sicht: auf der einen Seite der kalte Pazifik und auf der anderen in der Ferne die weisse Gipfelreihe der Anden.

In Pichidangui, einem Ferienwohnungenort fuer die Leute aus Santiago, war ich am Schlafplatz am Strand suchend, als ich eine Gruppe von Jugendlichen aus eben Santiago getroffen habe, mit denen ich die naechsten zwei Naechte als vorlauf zum 18. durchgefeiert habe. Diese Unterhaltung konnte ich kam mir sehr gelegen und ich hatte auch eine spassige Zeit von Party zu Party mit denen. Aber in dieser Gesellschaft ist mir mal wieder aufgefallen, wie schlecht ich viele Chilenen verstehe. Da sie in meinen Ohren schnell und nuschelig sprechen. Das war mir schon oefters aufgefallen, doch hier, wenn die nicht direkt mit mir gesprochen haben, hatte ich sehr grosse Muehe den Gespraechen zu folgen. Hinzu kommt natuerlich auch, dass das betrunkene Jugendliche waren, denen man generell bestimmt keine besonders klare Sprachbetonung nachsagen kann. Manchmal bin ich aber auch ueberrascht wie ich mit manchen Menschen durchaus vielfaeltige Unterhaltungen fuehren kann. Doch dort hab ich mal wieder deutlich geehen viel doch noch bei meinen Spanischkenntnissen fehlt. Zum 18. selbst sind die woanders hingefahren und ich konnte ein Nacht mal wieder schlafen.

Aehnlich wie in Pichidangui, schien auch in Papudo ueber die Feiertage ganz Santiago anzureisen. Das war ein perfekter Ort zum people-watching der Massen am Strad. Ein bisschen weiter die Kueste liegt Zapaller. Seit Beverly Hills die reichste und protzigste Wohngegend die ich gesehen habe. Nach dem noch nicht so lange zurueckliegenden Bolivien solche Villen, teuren deutschen Autos und trendbewusst gekleidete Jogger zu sehen, fuehlte sich sehr unecht, aufgeblasen und falsch an, es war aber auch faszinierend.

Immer naeher kam ich nun Viña del Mar. Einer Stadt die von palmengesaeumten Strandpromenaden und breiten Strassen gepraegt ist, mich aber nicht sonderlich inspiriert hat. Als ich gerade die Hauptstrasse am Ufer entlangfuhr, staute sich der Verkehr bis zum Stillstand und ueberall standen Menschenmassen die alle in die gleiche Richtung schauten. Erst als ploetzlich am Himmel zwei Flugzeuge fast zusammenstiessen, realisierte ich, dass dort gerade eine Flugschau stattfand. Nach einigen echt spektakulaeren Manoevern fingen dann aber die verschiedensten Militaerflugzeuge im Halbkreis ueber die Bucht zu paradieren. Daher kam es mir nicht ganz ungelegen, dass die pflichtbewusste Polizei kam um den kuenstlichen Stau aufzuloesen.

Die ineinander uebergehende Nachbarstadt Valparaiso begeisterte mich hingegen schon viel mehr. Dessen typische Seite die steilen Huegel mit verwinkelten Strassen und bunten Haeusern ist. Dort konnte ich stundenlang herumlaufen und immer wieder dachte ich mir, wenn man hier in der richtigen Gegend eine Wohnung finden wuerde, waere das eine meiner Top-Wohngegenden ueberhaupt. Mit einfach sehr vielen bunten Graffitis, den bunten Hauesern und Treppenstufen, Mosaiken an Laternenpfosten und dem Blick auf die umliegenden Huegel, die etwas heruntergekommene Hafengegend und die gesamte stark besiedelte Bucht, hatte ich mit Valparaiso endlich eine wirklich schoene Stadt in Chile gefunden. Nachdem ich das zweite Mal in meinem Leben beim Friseur war und somit wieder gesellschaftsfaehig war, ging es fuer mich weiter nach Pichilemu.

Ich hatte mich entschieden nicht nach Santiago zu gehen. Sicherlich habe ich damit etwas verpasst, aber viele Leute haben mir gesagt, das es auch kein Muss ist die Hauptstadt zu sehen. Und vorallem wollte ich nicht alleine in den Millionenstadtverkehr fahren. Fuer Pichilemu also hatte ich den Tip bekommen, dass dies der absolute Surfort Chiles sei und ich dort bestimmt meinen Bus verkaufen koennte. Doch ausser einem Deutschen und einem Russen, mit denen ich zwar zwei sehr coole Tage verbrachte, habe ich sonst keine auslaendischen Tourissten gefunden. Das ist naemlich meine einzig moegliche Zielgruppe um den Bus loszuwerden. Und da ich nun mal kein Surfer bin gab es fuer mich dort rein gar nichts zu tun, und daher bin ich auch schon wieder weiter in den Sueden

Wald gab es inzwischen schon recht haeufig, aber alle wachsen in Reih und Glied. Zumindest in Kuestennaehe gibt es also nur recht massive Aufforstung, hauptsaechlich fuer die Papierindustrie. Mit meinem weiteren Weg in den Sueden betrat ich endgueltig die gruenen Gegenden Chiles, mit Seen und Urwaeldern. Doch das kommt im naechsten Bericht.

2 Antworten to “Im kahlen Norden von Chile”

  1. Michael Fischer Says:

    Great to hear from you, the one thing I get from your report is that never leave home without a Car mechanic.

    Weiter so wir sind stolz auf Dich
    Michel & Patricia

  2. thomas Says:

    hey, die chilenen haben wg diesen minen-arbeitern die flaggen gezeigt :)

    heiter weiter!

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