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Resumé über Nordamerika (Matthias)

September 25, 2009

Nun haben wir schon bis zur mexikanischen Grenze gute 32.000 km hinter uns. Soviel wie wir zu aller Erst für unsere gesamte Reise eingeplant hatten, (noch ohne Alaska auf der Route). Stück für Stück verliert man seine Naivität in der großen weiten Welt. Auch wenn man einen Atlas vor sich liegen hat und man im Internet  sich die zu fahrenden Strecken ausrechnen lassen kann, ist es doch immer nur eine vage Vermutung die man hat, über die Größe und erst recht über die Inhalte von Landschaft und Leben in einem (fernen) fremden Land oder gar Kontinent.
Insofern habe ich Nordamerika als “ein” Land von unbegrenzten Möglichkeiten kennengelernt, denn längst haben ich nicht alles gesehen, kennengelernt und machen können. Nichts desto trotz verlasse ich den Norden mit dem Gefühl einen guten Rundumblick bekommen zu haben. Geographisch habe ich nun sicherlich ein besseres Bild als die meisten die mal hier waren, selbst als die meisten Nordamerikaner selbst. Einen gesellschaftlichen Einblick habe ich jedoch leider nur einen flüchtigen, da wir nicht länger als ein bis zwei Wochen an einem Ort geblieben sind, dafür aber wiederum einen relativ flächendeckenden um auch Unterschiede erkennen zu können.

Immer wieder hört man, vor allem die USA sei ein so tolles Land, weil es landschaftlich so vielseitig sei. Das stimmt schon, nur darf man das auch nicht flächenmäßig mit einem z.B. europäischen Land vergleichen. Man muss es also eher mit ganz Europa vergleichen. Aber die Wüsten und Canyons des Südwesten, die Sümpfe des Südosten (diesen Teil haben wir leider nicht gesehen), die Rocky Mountains im Nordwesten, die weiten Ebenen in im mittleren Norden der USA, die unermesslichen Wälder Nordkanadas, das riesige Seengeflecht im mittleren Kanada, die schneebedeckten Gipfel und Weiten Alaskas, die Küsten des Atlantiks und Pazifiks, die Großstadtballungsräume, all das spielt sich in Dimensionen ab, die man in Europa nicht findet. Und vermutlich ist auch die Landschaft der Grund für den Tourismus. Denn es ist zwar interessant eine solch dominierende Kultur kennen zu lernen. Aber in anderen Teilen der Welt bekommt man sicherlich mehr geboten. Gestört hat mich z.B. immer, dass die Häuser nicht in das Landschaftsbild eingebettet sind, sondern meist plump und provisorisch abgestellt aussehen. Sie bauen Häuser aus Pressspanplatten. Und es lässt sich nicht leugnen, dass es eine Autokultur ist. Fußgänger werden komisch angeschaut, und öffentliche Verkehrsmittel sind für Arme. Es gibt alles als drive in: natürlich Fastfoodketten, Bankautomaten, Telefonzellen und Apotheken.

Natürlich war ein Highlight auch das unglaublich vielfältige Tierleben in freier Wildbahn. Viele kannten wir bisher nur aus dem Zoo, oder hatten sie noch nie gesehen. Adler, Bären, Bergziegen, Büffel, Elche, Erdmännchen, Esel, Falken, Geier, Klapperschlangen, Kojoten, Kolibris, Murmeltiere, Pelikane, Pferde, Robben, Seelöwen, Seesterne, Truthähne, Wale, Wapitihirsche, Waschbären, Wildgänse und viele mehr an die ich mich gerade nicht erinnere und deren Namen wir leider nicht kennen.

Ob sich meine Klischees bestätigt haben oder nicht, ist eine leidige Frage. Sicherlich gibt es den übergewichtigen, dummen Bushwähler, aber andererseits auch sehr viel bürgerliches Engagement. Die behüteten, weltfremden Vorstadtsiedlungen, trifft man ebenso wie eine starke linke Szene. Alles in allem war ich durchaus positiv überrascht von Land und Leuten. Es ist einfach eine ideale Gegend zum Reisen; vielfältig, umwerfend schön und einfach und bequem. Ich könnte mir durchaus z.B. ein Auslandssemester in einer Stadt wie San Francisco vorstellen. Aber das lass ich mir lieber noch offen.

Auch wenn es dem einen oder anderen nicht passt, habe ich keinen großen Unterschied zwischen Kanadiern und US-Amerikanern gesehen.
Eine Ausnahme aber war Montréal, Québec. Durch den starken französischen Einfluss ist es sehr europäisch; viele Québécois sehen sich wohl auch eher europäisch als kanadisch. Dies drückt sich aus durch die Architektur, Sprache, Physiognomie und auch landschaftlich.
Dieser europäische Einfluss prägt aber auch das Stadtbild der nördlichen Ostküste der USA (New England und New York). Wobei der Bevölkerungsanteil von Ostasiaten immens ist.
Augenscheinlich ist, dass nur in den USA überall Flaggen rumhängen und der Wechsel von Kilometern und Meilen. Ansonsten änderst sich das Bild nicht wenn man über die Grenze fährt.  Wohl gibt es politische Unterschiede, aber das alltägliche Leben gleicht sich für einen Besucher sehr. Sie leben in den gleichen Häusern und haben ein ungezwungeneres Verhältnis zu Müll und Energie als die Europäer. Auch das generelle Vorhandensein von Schusswaffen in den USA blieb uns weitgehend verborgen, bis auf in Alaska (für mich sowieso schwer mit den USA unter einen Hut zu bringen) und vermutlich in LA. Wobei die Waffenabteilung im Walmart durchaus kurios ist.
Auch hörten wir, die kanadische Regierung ging und geht besser mit den Indianern um, doch schienen sie mir wirtschaftlich und gesellschaftlich in ihren Reservaten genauso abgeschnitten und schlecht dazustehen wie in den Staaten.

Die US-Amerikaner mögen die Kanadier, die Kanadier mögen die US-Amerikaner nicht und haben einen dezenteren Patriotismus, aber beide warnen einen vor den Mexikanern.
Die meisten lieben ihr Land, sind aber in erster Linie Lokalpatrioten, und schimpfen auf ihre Nachbarn. So ist British Columbia gegen Alberta, Ostküste gegen Westküste, Westküste gegen Ostküste, beide Küsten gegen die Mitte, der Nordwesten der USA gegen Californien und fast alle gegen die Südoststaaten. Und alle behaupten bei ihnen gäbe es die schönsten Landschaften und die nettesten Leute. (Ich entschuldige die Verallgemeinerung)

Nach wie vor ist die USA ein Einwandererland. Irgendwo haben wir mal den Satz aufgeschnappt, dass in ein paar Jahrzehnten die ganze Welt englisch sprechen wird, nur die USA spanisch. Und dieser Prozess ist tatsächlich schon in vielen Gegenden im Lauf

Ich war es schon immer, und jetzt bin ich noch mehr davon überzeugt, das die Wahl des Amerikanischen Kontinents für unsere Reise absolut die richtige war. Denn ich habe bei anderen Leuten schon oft beobachtet, dass sie an dem Ausland, wo sie in ihrer Jugend als erstes hingegangen sind, meistens auch in irgend einer Weise hängenbleiben. Und sollte das auch bei mir so sein, dann bin ich froh drum. Nichts desto trotz, will ich mich aber nicht darauf beschränken.

Nordamerika ist also nun nicht mehr nur ein grauweißer Fleck auf dem Globus, den ich mir immer gerne angeschaut habe und dessen Hauptstädte ich versuchte auswendig zu lernen; sondern ein Fleck voll mit Erinnerungen und Erlebnissen, sodass dieser nun viel größer wirkt.
Und ich hoffe, dass im Laufe meines Lebens die mit Vorahnungen gefüllten weißen Flecken auf unserem großen, belebten Globus immer weniger werden.
Jedenfalls gehe ich jetzt mit großer Vorfreude und wenig Vorstellungen in Richtung Süden, (aber dafür jetzt doch mit einem Reiseführer); der beste Weg nicht enttäuscht zu werden:-)